Entscheidungen

Umgang mit Entscheidungen 1. Akt

Es ist Sonntagvormittag. An diesem ruhigen und sonnigen Morgen sitze ich am Schreibtisch und habe Lust, meinen nächsten Beitrag zu schreiben. Etwas zum Thema Entscheidungen fände ich jetzt spannend. 

Und schon geht es los in mir: 

„Echt jetzt? Es ist Sonntagvormittag und du hast nichts Besseres zu tun als schon wieder am Computer zu sitzen? Ab mit dir nach draußen!!!“ 

„Jaha, ich weiß, ABER ich habe jetzt gerade Lust dazu und nachher eh noch eine Verabredung, dann passt es wieder nicht. Und innerhalb der Woche wird das nichts.“ 

„Äh, darf ich vielleicht auch mal was sagen? Also, es ist doch gut, was zu schaffen und erledigt zu haben, oder?“ 

„Aber es ist doch Sonnnntaaaaag!!!“

Das war nur ein kleiner Einblick in all die Gedanken, die da so in mir herumfliegen. Sie kennen das... Manchmal ist es spannender als jeder Film, wenn man einfach mal darauf achtet, was sich da so für unterschiedlichste Standpunkte und Meinungen in uns selbst vereinen. 

Wie kommt das? 

Das, was wir bewusst wahrnehmen, entspricht nur einem winzigen Teil dessen, was unser Unterbewusstsein wahrnimmt. Und dieses verbindet die aktuelle Wahrnehmung mit dem Erfahrungswissen, das wir in uns gespeichert haben. Das sind Erinnerungen an frühere Situationen, in denen wir als unsere jüngere Version etwas erlebt und darauf reagiert haben. Und das alles in unserer eigenen Art und Weise, etwas wahrzunehmen und für uns zu bewerten.

Damit entsteht eine Fülle an Reaktions- und Sichtweisen. Zunächst kann das verwirren und stören. Manchmal passt uns das so gar nicht, denn vielleicht müssen wir gerade jetzt eine schnellere und weitreichendere Entscheidung fällen als in meinem Ausgangsbeispiel oben. Wobei – die Frage nach einem erholsamen Spaziergang ist durchaus wichtig...

Sage ich im Vorstellungsgespräch jetzt zu oder nicht? Konfrontiere ich mein Gegenüber mit meinen Zweifeln und meinem Unbehagen oder wäre das jetzt nicht so gut? Informiere ich meinen Mitarbeiter über die Erhöhung der Umsatzziele und mache ihm damit mehr Druck oder behalte ich das jetzt gerade für diesen Moment lieber für mich? Erlaube ich meinem Sohn seinen Freund zu treffen, der gerade vor der Tür steht oder lasse ich das aufgrund der Corona-Situation lieber nicht zu?

In solchen Situationen kann die Fülle unserer eigenen Gedanken und Wahrnehmungen störend empfunden werden. Vielleicht fühlen wir uns auch genervt oder ärgern uns über unsere Unklarheit. 

Wir haben aber auch die Möglichkeit, diese Störung als ein Achtungsschild zu sehen. Als eine Einladung zum kurzen Innehalten, Durchatmen und mir einen Moment zum Nachdenken zu nehmen. Denn letztlich ist die Fülle der Gedanken und Reaktionen ein großer Schatz in uns. Wir können Sichtweisen miteinander vergleichen, wenn wir es zulassen, ein paar dieser Gedanken in unser Bewusstsein zu lassen. Denn diese haben ja sozusagen gerade an unsere innere Tür geklopft und wollen gehört werden. Wie eine Warnleuchte im Auto, die ihre wichtige Information geben möchte. 

Letztlich stärken wir damit unsere Souveränität, denn wir können durch das bewusstere Entscheiden stärker an unseren Zielen und Werten bleiben. 

Übrigens habe ich während des Schreibens für mich beschlossen, aus dem 

ich verfasse meinen nächsten Beitrag ODER

ich genieße die Sonne und gehe raus

ein UND zu kreieren. Denn durch das kurze Sacken-Lassen wurde mir klar, dass mir heute beides wichtig ist. Ich stelle das bisher Geschriebene rein, schreibe erst in den nächsten Tagen etwas über Entscheidungen, die wir nicht sofort treffen müssen

UND gehe raus in die Sonne.

War schön...

Umgang mit Entscheidungen 2. Akt

Neulich im Gespräch mit einer Bekannten:

„Diese ganze Maskentragerei und die Einschränkungen nerven total. Ich weiß gar nicht mehr, was ich machen soll. Ich bin nur noch zuhause, treffe kaum noch Leute. Ich will nicht telefonieren, im Homeoffice arbeiten oder mich online mit Freunden unterhalten. Ich will Leute um mich herum haben, mich austauschen ohne künstlichen Abstand!“

Ja, willkommen im Club, das ist eine vielen Varianten, warum die aktuelle Zeit für viele sehr belastend ist. Warum schreibe ich jetzt gerade über dieses Beispiel? Weil mir irgendwann auffiel, dass nach dem Benennen des völlig nachvollziehbaren Problems und der Gefühlslage eine stetige Wiederholung erfolgte. Und beim nächsten Treffen wieder usw.

Und da stellte sich mir die Frage, was meiner Bekannten nun gut täte. Hilft die ständige Wiederholung der berechtigten Klage? Wird sie damit Druck los und in der Folge besser mit der Situation umgehen können? Oder schlägt durch die Wiederholungen so langsam aber sicher das Pendel um in Richtung Festigung des Problems?

Sollte sich das Problem verfestigen, dann stehen meiner Bekannten noch härtere Zeiten bevor. Denn durch das zunehmende Kreisen innerhalb des Problems bleibt der Blick auf das Hilfreiche, das Stärkende versperrt. Doch gerade das kann in solchen Zeiten helfen, durchzuhalten und Wege zu finden, wie es uns so gut wie möglich geht. Offen zu bleiben für das, was uns das Leben gerade unterschiebt.

Und wie soll das bitte schön gelingen? Wenn doch alles so schwer ist?

Vielleicht damit:

Auch dies ist eine Entscheidungssituation. Da entscheidet sich jemand also bisher – natürlich unbewusst! – dafür, in der Wiederholung des Schwierigen zu bleiben. Das schreibe ich voller Respekt für das Empfinden und Handeln, denn es IST ja auch schwer. Aus welchen Gründen verharrt ein Mensch darin? Diese sind so vielfältig und achtenswert. Die Frage ist, wie kommen wir dahin – wenn wir das möchten – uns bewusst zu werden, DASS es die eigene Entscheidung ist und wir vielleicht davon profitieren, diese bewusst zu treffen. Ich entscheide, wie ich mit der Situation umgehe. Wie ich reagiere.

Die Lösung und der konstruktive Umgang damit ist mit Sicherheit nicht so mal eben gefunden. Doch der erste Schritt kann folgender sein: Immer wenn ich ein Problemkreisen bei mir wahrnehme, entscheide ich mich dafür, den Weg in eine konstruktive Haltung zu wählen. Ich erwarte damit noch nicht von mir, dass ich gleich eine Lösung parat habe. Aber ich gönne mir für diesen Moment den Ausstieg aus dem Problemkreis. Werde wieder handlungsfähig. Und tue mir damit etwas Gutes.

Wie kann das gehen? Wie kann ich den Blick auf das Konstruktive wenden?

Es gibt ein paar Tricks, die helfen können. Wir können zum Beispiel eine kleine Körperbewegung einüben, die wir in solchen Momenten des Bewusstwerdens einsetzen. Hier eine kleine Auswahl:

Das Kreuzen von zwei Fingern, Drehen an einem Fingerring o.ä. erinnert mich daran, dass ich ja konstruktiv sein wollte. Und durch die Wahrnehmung des körperlichen Reizes ändert sich schon was. Ich übe das also ein: Immer mal wieder mache ich diese Bewegung und erinnere mich daran, dass ich damit ein positives Verlassen des Problemkreisens bewirken kann. Und wenn diese Bewegung immer automatisierter eingesetzt wird, kann ich diese im „Ernstfall“ nutzen, führe sie durch, bin durch die kleine Bewegung bereits aktiv geworden und kann mich nun bewusst dafür entscheiden innezuhalten, durchzuatmen und vielleicht jetzt eine andere Reaktionsmöglichkeit auszuprobieren.

Ein Wechsel der Körperposition: Auch hier wird wieder der Körper genutzt, um im wahrsten Sinne des Wortes den Standpunkt zu wechseln. Klappt z.B. zuhause, in der Straßenbahn oder beim Spazierengehen. Wie geht das? Ich merke, dass ich wieder im Problemkreisen und Grübeln versunken bin. Alles klar, ich habe es gemerkt – und das ist schon richtig gut, ganz egal, wie viel Zeit bis dahin vergangen ist. Und nun? Ich habe es also gemerkt, nehme das Problem und das Kreisen bewusst wahr und setze mich auf einen anderen Stuhl. Oder wechsle die Straßenseite. Oder gehe weiter links. Oder in einen anderen Raum.

Was soll das bringen? Auch hier hilft der Körper: Ich verlasse die Position und ermögliche mir, auch auf Gefühls- und Gedankenebene Abstand zu nehmen. Ich bin wieder bewusster unterwegs und kann mir besser überlegen, was ich nun machen will. Vielleicht fällt mir eine Lösung ein. Vielleicht suche ich mir Hilfe. Oder ich freue mich einfach darüber, dass ich für diesen Moment aus dem Kreisen ausgestiegen bin. Super!

Umgang mit Entscheidungen 3. Akt

In den ersten Artikeln ging es um die innere Haltung und das Bewusstsein für die eigene Entscheidungsfähigkeit. Wenn es nun gerade um schwerwiegende und folgenreiche Entscheidungen geht, wie z.B. einen beruflichen Wechsel, grundlegende Beziehungsfragen oder auch beispielsweise aktuell um die Frage, wie jemand mit den Folgen der Pandemie umgehen möchte – besonders dann braucht es Parameter, anhand derer wir bewusst die verschiedenen Optionen miteinander vergleichen können.

Kürzlich sagte mir eine alte Dame in einem Heim, dass sie einfach NICHT wisse, wie sie sich in einer für sie schwierigen Situation entscheiden solle. Es trieb sie schier zur Verzweiflung und ihre Not, nicht zu wissen, was nun richtig sei, war zutiefst spürbar und berührend.

Im Gespräch wurde dann deutlich, dass sie gar keine Entscheidungsbasis hatte. Ihr war nicht klar, was ihr besonders wichtig war. Welche Prioritäten sie hatte. Zudem hatte sie sich kaum näher mit den Optionen beschäftigt. In der Folge warf eine Fülle von Gefühlen sie hin und her.

Und so begannen wir damit, zunächst ihre Wünsche anzuschauen. Was will ich überhaupt? Was ist mir wichtig? Wir machten dies im Gespräch und konnten nach und nach einige Parameter bestimmen. Nach einigen Tagen führten diese dann, gemeinsam mit einer näheren Betrachtung der verschiedenen Optionen, zu einer Entscheidung, die für sie stimmig war.

Kennen Sie solche Momente?

Mit meinen Klienten nutze ich gerne in ähnlichen Fällen folgende Methode, die manchmal auch gut alleine durchgeführt werden kann. Schwierig kann das werden, wenn die Emotionen sehr dominant sind oder sich die Wünsche so gar nicht zeigen wollen. Dann kann es hilfreich sein, sich Unterstützung zu holen.

Der Aufbau ist recht einfach. Wenn Sie etwas Zeit und Ruhe haben, dann nehmen Sie sich ausreichend Papier und schreiben:

„Ich habe einen Wunsch frei.“

Darunter schreiben Sie den erstbesten Wunsch, der Ihnen gerade spontan durch den Kopf geht. Dieser muss nicht zwingend etwas mit Ihrem bestimmten Thema zu tun haben. Einfach drauf los, was Ihnen so durch den Kopf geht.

Nun schreiben Sie wieder: „Ich habe einen Wunsch frei.“

Dann kommt wieder der erstbeste Wunsch und immer so weiter. 10 Minuten, 30 Minuten, 1 Stunde – wie Sie wollen. Lassen Sie es fließen. Mit Sehnsucht, mit Lust, mit Ernsthaftigkeit und Spaß, mit Freude und Wut, mit Tränen und lautem Lachen, in achtsamer Stille. Hauptsache, Sie bleiben bei sich selbst. Dies kann dazu führen, dass sich bei Ihnen so nach und nach die Wünsche in eine bestimmte Richtung einschwingen. Die Spontaneität der Antworten hilft, auch an tiefere Wünsche zu kommen, so dass deutlicher werden kann, was Ihr ureigenster Wunsch in dieser Sache sein mag. Und das ist etwas ganz Kostbares.

Vielleicht wird Ihnen damit bereits einiges klarer. Aha, das ist es also, worum es gerade geht.

Und was bedeutet das für dieses Thema?

Ich wünsche Ihnen viele (neue) Entdeckungen. Es lohnt sich!!!

Umgang mit Entscheidungen 4. Akt

Oftmals werden Entscheidungen schwierig, wenn andere Menschen von den Folgen ebenfalls direkt davon betroffen sind. Welche Schwerpunkte setze ich dann? Welche Priorität? Können die anderen / kann ich die Konsequenzen tragen?

Da stellt die allein verdienende Mutter fest, dass sie ihren Job nicht mehr aushält. Wenn sie kündigt, dann kann es passieren, dass die Familie für geraume Zeit ihren Gürtel sehr viel enger schnallen muss.

Ein Mann spürt, dass er die Pflege seines Vaters nicht länger übernehmen kann, da dessen Beschwerden zu umfangreich geworden sind. Der Vater möchte sich aber nicht von jemand anderem pflegen lassen und schon gar nicht in eine Senioreneinrichtung umziehen.

Jemand anderes fühlt sich in der Corona-Lage von der Politik im Stich gelassen und gegängelt - es baut sich immer mehr Widerstand gegen die Hygienemaßnahmen auf. Trägt er nun Maske oder nicht?

Die Pionierin der Systemischen Familientherapie Virginia Satir hat einen Text zum Thema „Selbstachtung“ verfasst, der aus meiner Warte sehr gut zu diesen Fragenkomplexen passt. Ich schaue und beachte meine eigenen Bedürfnisse, mein Denken, mein Fühlen und Handeln. Ich sehe meinen Zwiespalt, mein Dilemma. Und das darf genau so sein. Und dann schaue ich, ob ich mit oder ohne Hilfe von außen eine Lösung finde, bei der ich meine eigenen Bedürfnisse achte, die mir und meinen Werten entspricht. Von meinem Umgang mit mir selbst und meinen Mitmenschen.

„Mein Bekenntnis zur Selbstachtung (Virginia Satir)

Ich bin ich.

Auf der ganzen Welt gibt es niemanden, der genauso ist wie ich. 
Manche Menschen gleichen mir in einiger Hinsicht, doch niemand ist ganz genau wie ich.

Deshalb ist alles, was ich hervorbringe, völlig authentisch mein Eigenes, denn ich allein habe entschieden, dass es so ist, wie es ist.

Alles an mir gehört mir: mein Körper und alles, was er tut; mein Geist und all seine Gedanken und Ideen; meine Augen und alle Bilder, die sie schauen; meine Gefühle, welche es auch sein mögen: Wut, Freude, Frustration, Liebe, Enttäuschung und Erregung; mein Mund und alle Worte, die er hervorbringt: höfliche, unangenehme und harte, zutreffende und unzutreffende; und alles was ich tue, ob es sich auf andere oder auf mich selbst bezieht.

Meine Phantasien, Träume, Hoffnungen und Ängste gehören mir.

Meine Siege und Erfolge gehören mir, ebenso wie meine Misserfolge und Fehler.

Weil alles an mir mir gehört, kann ich mich mit allem völlig vertraut machen. Indem ich dies tue, bin ich liebevoll und freundlich allen meinen Anteilen gegenüber und kann so mit meinem ganzen Sein zu meinem eigenen Besten wirken.

Mir ist klar, dass gewisse Aspekte meiner Existenz mich verwirren und dass ich andere gar nicht kenne. Doch solange ich freundlich und liebevoll mit mir selbst umgehe, kann ich mutig und hoffnungsvoll nach Lösungen für die Rätsel meiner Existenz suchen und nach Möglichkeiten, die mir helfen, mehr über mich selbst herauszufinden.

Wie auch immer ich aussehe und klinge, was auch immer ich sage und tue und alles, was ich in einem bestimmten Augenblick denke und fühle, all dies bin ich.

Es ist authentisch und bringt zum Ausdruck, wo ich mich zum betreffenden Zeitpunkt befinde.

Wenn ich später überdenke, wie ich ausgesehen und geklungen habe, was ich gesagt und getan habe und wie ich gedacht und gefühlt habe, so mag mir einiges vielleicht nachträglich als unpassend oder unangemessen erscheinen. Ich kann das, was ich als ungeeignet erkannt habe, fallen lassen, das Bewährte beibehalten und etwas Neues erfinden, das an die Stelle des Aufgegebenen tritt.

Ich kann sehen, hören, fühlen, sprechen und handeln. Ich bin in der Lage, zu überleben, anderen nahe zu sein, produktiv zu sein und die Welt der Menschen und Dinge um mich herum in einem sinnvollen und geordneten Zusammenhang zu erleben.

Ich gehöre mir und kann mich deshalb auch selbst steuern.

Ich bin ich und ich bin o.k......

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